Editorial aus Schiff&Hafen 1-2/2021: Kurs auf die Post-Corona-Zeit

Dr. Silke Sadowski, Chefredakteurin

Was für ein Jahr liegt hinter uns! Unvermittelt und mit atemberaubender Geschwindigkeit hat die Corona-Pandemie unser Leben auf den Kopf gestellt und Anfang 2021 ist (fast) nichts mehr so wie noch vor einem Jahr.

Die Corona-Krise hat erwartungsgemäß auch die maritime Wirtschaft kräftig erschüttert, mit jedoch zu differenzierenden, unterschiedlichen Auswirkungen auf die einzelnen Branchensegmente. Nachdem sich die maritimen Unternehmen, insbesondere auch in Deutschland und Europa, in dem seit Jahren vorherrschenden komplexen Spannungsfeld aus Überkapazitäten, verhaltenem Weltwirtschaftswachstum, geopolitischen Unsicherheiten und steigenden Anforderungen im Klima- und Umweltschutz recht erfolgreich behaupten konnten, hat das zurückliegende Jahr die Branche schlagartig vor eine völlig neuartige Herausforderung gestellt.

Fest steht, dass nahezu alle Segmente betroffen sind. Während sich die Frachtraten und damit auch die Umschlagzahlen in den Häfen nach einem Einbruch im Frühjahr im Laufe des Jahres in großen Teilen wieder erholt haben und auch viele meerestechnische Unternehmen eine kaum beeinträchtigte Nachfrage nach Mess- und Umwelttechnik sowie technologischen Lösungen insbesondere für den florierenden Offshore-Windsektor verzeichnen, sind andere Bereiche schwer von der Krise gezeichnet. Die wohl offensichtlichste und folgenschwerste Auswirkung bekam die Kreuzfahrtindustrie zu spüren, deren anhaltende Erfolgsgeschichte durch Covid-19 abrupt gestoppt wurde. Und ausgerechnet dieser Wirtschaftszweig hat aufgrund seiner hohen Wertschöpfung einen außergewöhnlichen Stellenwert im wirtschaftlichen Gesamtgefüge, insbesondere in Europa. Neben touristischen Leistungsträgern, Einzelhandel und Gastgewerbe sind vor allem (nahezu alle) Geschäftsfelder der maritimen Wirtschaft betroffen – von den entsprechenden Reedereien über Schiffsausrüster, Häfen bis hin zu Werften und Schiffbauzulieferern.

Daraus folgt zwangsläufig, dass vor allem Unternehmen, deren Hauptgeschäft mit der Kreuzfahrtbranche verknüpft ist, am härtesten betroffen sind, während diversifiziert aufgestellte Akteure leichter Kompensationsmöglichkeiten erschließen können.

Die Corona-Krise hat eindrucksvoll die Systemrelevanz der maritimen Wirtschaft verdeutlicht. Die Handelsschifffahrt konnte – trotz der erheblichen Probleme in Bezug auf den Crewwechsel – die Versorgung nahezu lückenlos sicherstellen und zumindest die Linienreedereien erzielen inzwischen wieder befriedigende Ergebnisse. Dafür spricht auch der zum Jahresende kommunizierte Auftrag über sechs ULCV mit 23 500 TEU Kapazität, den Hapag-Lloyd bei der koreanischen Werft Daewoo Shipbuilding & Marine Engineering platziert hat und mit dem die Hamburger Linienreederei den Schritt in das Segment der Mega-Carrier vollzieht. Das Beispiel veranschaulicht aber auch noch einmal deutlich, dass die deutschen und europäischen Werften mit ihrer Zulieferindustrie von einer sich eventuell langsam erholenden Ordertätigkeit bei den Frachtschiffen kaum oder nicht ausreichend profitieren werden und dass hier ein großes Loch, das die zusammengebrochene Nachfrage nach Kreuzfahrtschiffen gerissen hat, gefüllt werden muss.

Diese große Herausforderung können die Unternehmen jedoch kaum ohne Flankierung und Unterstützung von Bund, Ländern und der EU meistern. Neben vorgezogenen Neubauten für staatliche Auftraggeber sind es vor allem attraktive Anreize für privatwirtschaftliche Akteure, die – gebunden an Umwelt- und Klimaauflagen – sowohl den Weg aus der Krise weisen als auch entscheidende Fortschritte für eine zunehmend emissionsfreie Schifffahrt erzielen könnten. Erfreulicherweise sind hier in 2020 schon einige Maßnahmen wie beispielsweise Förderprogramme für die Binnen- und die Küstenschifffahrt, eine Aufstockung des LNG-Förderprogramms sowie eine zusätzliche Unterstützung für den Bau von LNG-Bunkerschiffen erfolgreich auf den Weg gebracht worden.

Von zentraler Bedeutung für die Bewältigung der Krise über alle maritimen Branchensegmente hinweg sind darüber hinaus die bereitgestellten Mittel für Innovation, Forschung und Entwicklung wie beispielsweise die signifikante Aufstockung des Maritimen Forschungsprogramms bis 2025. Auch die Neuauflage der Förderrichtlinie Innovative Hafentechnologien (IHATEC) sowie die Schaffung der neuen Förderrichtlinie Digitale Testfelder in Häfen sind wichtige Signale aus der Politik. Diese Maßnahmen tragen entscheidend dazu bei, dass die deutschen maritimen Unternehmen ihren führenden Platz auf dem Weltmarkt behaupten und wichtige Weichen für die Post-Corona-Phase stellen können.

Hervorzuheben und besonders erfreulich ist auch der im Corona-Jahr 2020 erzielte Rekord an bewilligten F&E-Vorhaben. Ein ganz klares und positives Indiz, dass die deutschen maritimen Unternehmen auch diese ungewöhnliche neue Herausforderung annehmen und überzeugt sind, sie zu meistern.

Teilen
Drucken
Nach oben