Editorial aus Schiff&Hafen 12/2021: Seeschifffahrt positioniert sich

Dr. Silke Sadowski, Chefredakteurin

Die 26. UN-Klimakonferenz (COP 26) ist beendet, doch das Ergebnis von zwei Wochen Diskussionen und Verhandlungen ist schwer zu bewerten. Immerhin – und das kann sicher als Erfolg gesehen werden – konnten sich die 200 Staaten auf eine gemeinsame Abschlusserklärung einigen. Die Resonanz bezüglich der Ergebnisse ist jedoch gemischt – das Spektrum reicht von Zustimmung bis hin zu herber Kritik und Enttäuschung. Die gesamte UN-Staatengemeinschaft zu einen, ist eine enorme Herausforderung und Abstriche bei den Zielsetzungen sind im Grunde vorprogrammiert.

Doch was bleibt an Fakten? Das Abschlussdokument formuliert deutlicher als das Pariser Klimaabkommen das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dazu soll der Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 im Vergleich zu 2010 um 45 Prozent reduziert werden. Beachtlich ist zweifellos das Signal für den Ausstieg aus fossiler Energie – trotz der Abschwächungen auf der Zielgerade.

Ein klares positives Zeichen setzte dabei die maritime Branche: Die Seeschifffahrt hat angekündigt, ihre Klimaschutzziele zu verschärfen. Statt den Kohlendioxid-Ausstoß weltweit bis 2050 zu halbieren, wie bisher von der IMO beschlossen, will die Branche im gleichen Zeitraum komplett klimaneutral werden. Dazu hat der Weltschifffahrtsverband International Chamber of Shipping (ICS) einen entsprechenden Antrag bei der IMO eingereicht. Besonders erfreulich und zu würdigen ist hier der Einsatz des Verbands Deutscher Reeder (VDR), der diesen Schritt initiiert und ganz maßgeblich vorangetrieben hat.

Mit der „Clyde-bank Declaration“ konnten bereits bei einer am Rande des Weltklimagipfels von ICS organisierten Dekarbonisierungskonferenz erste konkrete Schritte vereinbart werden. Demnach soll der Schiffsverkehr in den kommenden Jahren auf ersten Routen vollständig klimaneutral gestaltet werden. In der nach dem Glasgower Fluss Clyde benannten Erklärung bekennen sich mehr als 20 Staaten dazu, bis zur Mitte dieses Jahrzehnts mindestens sechs komplett CO2-neutrale Schifffahrtskorridore zwischen verschiedenen Häfen zu etablieren. Bis 2030 sollen „viele weitere“ hinzukommen. Zu den Unterzeichnern gehören neben Deutschland und COP 26-Gastgeber Großbritannien unter anderem auch die USA, Frankreich, Italien, die Niederlande und die skandinavischen Staaten.

Auf dem 77. MEPC (Marine Environment Protection Committee) Meeting vom 22. - 26. November in London haben nachfolgend die 175 IMO-Mitgliedsstaaten erstmals über den von der ICS eingereichten Antrag beraten. Leider waren die Ergebnisse zum Zeitpunkt der Drucklegung der vorliegenden Schiff&Hafen-Ausgabe noch nicht veröffentlicht, sodass an dieser Stelle nur zu hoffen bleibt, dass hier entsprechende Fortschritte erzielt werden konnten. Die Annahme eines Netto-Null-Ziels durch die IMO wäre die dringend benötigte Voraussetzung, um die Entwicklung klimafreundlicher Schiffskraftstoffe und Antriebstechnologien mit der gebotenen Geschwindigkeit voranzutreiben.

Wie immens wichtig es ist, hier zeitnah die richtigen Weichen zu stellen, ist auch Fazit unseres beiliegenden LNG & Future Fuels Reports.

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