Editorial aus Schiff&Hafen 6/2021: Das große Ganze

Kathrin Lau, Stellvertretende Chefredakteurin

Die zurückliegende 12. Nationale Maritime Konferenz (NMK) hat eines wieder sehr verdeutlicht: Die maritime Industrie mit all ihren unterschiedlichen Segmenten hat einen hohen Stellenwert in Deutschland, Europa und der Welt. Während der Diskussionsrunden, Vorträge und Präsentationen an den zwei Tagen wurde erneut beeindruckend unter Beweis gestellt, welche Bandbreite die Branche hierzulande aufweist: Neben den aktuellen Themen wie Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit in Schiffbau, Schifffahrt und Häfen standen meerestechnologische Entwicklungen und Innovationen im Fokus der Debatten.

Längst hat sich die maritime Wirtschaft – nicht nur, aber besonders – in Deutschland vom Vorurteil der Langsamkeit und Konventionalität freischwimmen können. Die vergangene Dekade hat bahnbrechende Entwicklungen hervorgebracht; auf technologische, regulatorische und wirtschaftliche Herausforderungen wurde stets rasch reagiert. Mit der Offshore- Windindustrie wurde beispielsweise in kurzer Zeit ein komplett neuer Wirtschaftszweig aus der Taufe gehoben.

Trotzdem reicht das nicht, selbst wenn man die coronabedingten Einbrüche in weiten Teilen der Branche außer Acht ließe, um sich in einem nach wie vor – insbesondere in den asiatischen Schiffbaunationen – durch unfaire Subventionen unterstützten Marktumfeld global behaupten zu können. Hier wurden vom Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier nun zwar Gegenmaßnahmen angekündigt; wie genau diese aussehen könnten, ließ er dabei aber offen.

Nach einem derartig hochkarätig besetzten Branchentreff stellt sich ohnehin immer die Frage nach den konkreten Maßnahmen. Was gibt es jetzt zu tun? Die eine Milliarde Euro aus dem Konjunktur- und Zukunftspaket, mit der die Bundesregierung Innovationen, maritime Forschung und Entwicklung, die Flottenerneuerung von Behördenschiffen, die Umrüstung auf umweltfreundliche Antriebe sowie Betankungsschiffe für alternative Kraftstoffe fördert, ist bewilligt. Die Nationale Wasserstoffstrategie, mit der auch der maritime Sektor im Blick behalten wird, verabschiedet.

Aber es muss auch ums große Ganze gehen: Wenn wir über eine nachhaltige und sozioökonomische Nutzung der Ozeane sprechen, dreht es sich nicht ausschließlich um klima- und umweltschädigende Emissionen der Schifffahrt.

Ein Beispiel hierfür ist der Umgang mit den riesigen Mengen an Altmunition am Meeresgrund – ein Thema, das zwar nicht neu, aber – nicht zuletzt – durch die Gespräche während der NMK wieder stärker ins Bewusstsein gerückt ist. Unter anderem behindern und verteuern diese den Bau von Windparks. Bislang ist es nicht gelungen, die Hinterlassenschaften der beiden Weltkriege unter Einhaltung aller erforderlichen Standards zu bergen. Nach einer kürzlich verabschiedeten Resolution im Europaparlament, in der auch entsprechende Mittel angekündigt worden sind, steigt jedoch die Zuversicht, dass hier zeitnah umweltschonende und wirtschaftliche Lösungen entwickelt werden können.

Das große Ganze verlangt also nach branchenübergreifendem Know-how, nach innovativem Entrepreneurship, aber eben immer auch nach entsprechender Unterstützung durch die Politik.

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