Editorial aus Schiff&Hafen 7/8/2021: Der kleinste gemeinsame Nenner

Dr. Silke Sadowski, Chefredakteurin

Die globale Erwärmung und ihre Folgen bestimmen inzwischen nahezu täglich die Schlagzeilen und zunehmend auch das Bewusstsein und unser Handeln – ob im privaten oder beruflichen Kontext. Angetrieben durch die Präferenzen der Verbraucher sowie den Druck von Investoren, Nichtregierungsorganisationen und der Öffentlichkeit ist eine wachsende Marktnachfrage nach umwelt- und klimafreundlichen Transporten zu verzeichnen.

Für die Erreichung klar definierter Klimaziele bei fairen Wettbewerbsbedingungen sind international verbindliche Vorschriften jedoch unverzichtbar.

Mit Spannung hat die maritime Wirtschaft vor diesem Hintergrund die Ergebnisse der 76. Tagung des Umweltausschusses der IMO (MEPC) erwartet. Die von der internationalen Staatengemeinschaft verabschiedeten Beschlüsse zeigen erneut sehr deutlich: die IMO ist in der Lage, wertvolle, global gültige Vorschriften zu beschließen, doch es handelt sich auch diesmal wieder um einen Kompromiss, der hinter der technisch machbaren Größenordnung zurückbleibt. Obgleich in Anbetracht der Klimaproblematik ein weltweiter Konsens bezüglich der Dringlichkeit bestehen sollte, verhindern divergierende (wirtschaftliche) Interessen hier den Rahmen der Möglichkeiten maximal auszuschöpfen.

Zunächst aber ist die mit der Verabschiedung des Energy Efficiency Existing Ship Index (EEXI) und des Carbon Intensity Indicator (CII) erzielte Einigung auf kurzfristige Maßnahmen zur Minderung der Treibhausgasemissionen in der Schifffahrt als ein begrüßenswerter Erfolg zu werten. Damit wird zeitnah die Bestandsflotte in die Pflicht genommen. Zurecht wird jedoch – auch in den Reaktionen der deutschen maritimen Verbände – das Fehlen konkreter Richtlinien für die technische Implementierung, Verifizierung und Durchsetzung der Maßnahmen kritisiert. Zudem bleiben die vereinbarten Reduktionsziele für die fahrende Flotte quantitativ hinter dem bereits heute verfügbaren Potenzial innovativer Umwelttechnik und alternativer Treibstoffe zurück. Auch die operativen Anforderungen die für den Zeitraum von 2019 bis 2026 vereinbarten CII-Reduzierungen von insgesamt elf Prozent werden als zu gering eingeschätzt. Der in diesem Zusammenhang für 2026 vereinbarte Review der Anforderungen, um gegebenenfalls nachsteuern zu können, beinhaltet zwar eine Chance für strengere Auflagen, doch ist fraglich, ob es für gegebenenfalls erforderliche Anpassungen dann nicht zu spät sein wird, um die Ziele des Klimaschutzes der internationalen Schifffahrt zu erreichen. Zudem schränkt diese Option die Planungssicherheit für die Reedereien zusätzlich ein. Für Schiffe, die heute in Auftrag gegeben werden, muss gewährleistet sein, dass diese in den kommenden 20 Jahren effektiv und regelkonform betrieben werden können. Enttäuschend ist auch die erneute Verschiebung einer Entscheidung zum Forschungs- und Entwicklungsfonds, der auf einem bereits im Dezember 2019 von der International Chamber of Shipping (ICS) gemeinsam mit anderen Branchenverbänden präsentierten Vorschlag basiert, mit dem klimaneutrale Kraftstoffe entwickelt werden sollen.

Denn insbesondere die zukünftigen Kraftstoffe spielen im Kanon der Maßnahmen für eine klimaneutrale Schifffahrt eine zentrale Rolle. Die Herausforderungen, hier wirtschaftlich darstellbare Alternativen zu den fossilen Brennstoffen weltweit in ausreichenden Mengen zur Verfügung zu stellen, sind extrem komplex.

Darüber hinaus ist es bedauerlich, dass keine Einigung über die Einführung einer weltweiten CO2-Bepreisung erzielt werden konnte und die Thematik auf die kommende Sitzung vertagt wurde.

Mit Blick auf die Ergebnisse der MEPC-Sitzung und auf die beschriebenen Zusammenhänge kommt Europa einmal mehr eine wichtige Rolle zu, hier geeignete zusätzliche Impulse zu geben. Für ambitionierte(re) Ziele müssen jedoch technologieoffene Rahmenbedingungen gesetzt werden, die es der Industrie ermöglichen, die effizientesten Alternativen zu entwickeln und dabei ihre Innovationskraft voll auszuschöpfen.

In jedem Fall muss jedoch sichergestellt sein, dass alle EU-Sonderregelungen und verschärften Auflagen, wie beispielsweise die vom Parlament verabschiedete Einbeziehung der Schifffahrt in den Emissionshandel, die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen maritimen Wirtschaft in keiner Weise gefährden und alle (Förder)-Aktivitäten und Rahmenbedingungen den globalen Technologievorsprung bestmöglich stärken.

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