Editorial aus Schiff&Hafen 3/2023: Dringend gesucht

Kathrin Lau, Chefredakteurin

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten bei garantierten Karrierechancen erwarten Sie! So oder ähnlich würde sich vermutlich eine allgemeingültige Stellenausschreibung lesen, individuelle Angebote dieser Art füllen derzeit die Karriereportale und sozialen Netzwerke, denn: die gesamte maritime Wirtschaft leidet unter dem anhaltenden Fachkräfte- und Nachwuchsmangel.
Und damit steht sie nicht alleine da. Für das Jahr 2022 wurde deutschlandweit ein Jahres­durchschnitt von fast 850 000 offenen Arbeitsstellen gemeldet – ein Rekordwert im Vergleich mit der vergangenen Dekade. Demgegenüber stand eine verhältnismäßig niedrige Arbeitslosenquote von 5,3 Prozent.
Um die besten und geeignetsten Mitarbeiter für sich gewinnen zu können, wächst der Katalog der sogenannten Incentives zahlreicher Firmen weiter an. Die Angebote reichen von regelmäßigem mobilen Arbeiten bis hin zur Vier-Tage-Woche oder bestimmten Mitgliedschaften und Vergünstigen.
Befinden wir uns also mitten im „War for Talents“, dem zunehmenden Wettbewerb um die besten Kandidaten? Der Begriff wurde bereits im Jahr 1997 geprägt und beschreibt sehr eindrücklich die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt. Er scheint jedoch im aktuellen Kontext noch einmal eine ganz andere Qualität einzunehmen.
Viele Zulieferunternehmen beispielsweise beklagen derzeit nicht leere Auftragsbücher, sondern zumeist fehlendes oder zu spät geliefertes Material und eben das nicht ausreichende Personal, um die Bestellungen rechtzeitig fertigzustellen.
Ohne gut ausgebildete Fachkräfte droht hier das Risiko, dass einzelne Segmente und schlussendlich auch die gesamte maritime Wirtschaft nachhaltig geschwächt werden.
Müssen die Berufs- und Karrierechancen in der maritimen Industrie attraktiver werden  oder müssen die Vorzüge und Möglichkeiten mehr – oder anders – kommuniziert werden? Sind die Berufsbilder in den Köpfen der jungen Leute vielleicht sogar etwas angestaubt?  
Zum „Jahr der Ausbildung“ hat der Verband Deutscher Reeder 2023 gar unlängst ernannt. Dabei sollen Nachwuchsgewinnung und Informationen über die vielfältigen Karrierechancen im Fokus stehen. Auch die anderen (maritimen) Fachverbände und ihre Mitglieder stellen sich in diesem Zusammenhang neu auf und initiieren bislang eher ungewöhnliche Maßnahmen. Ob TikTok-Videos oder die Gestaltung von Was-ist-Was-Büchern – die meisten Unternehmen sind sich bewusst, dass die traditionellen Methoden zur Nachwuchs- und Bewerbergewinnung mehr oder minder ausgedient haben.
Die Sicherung des Know-hows, aber auch der Blick auf die zukünftigen Anforderungen und Bedarfe sind unumgänglich, damit die hiesige Industrie – sei es Schifffahrt, Schiffbau oder die Offshore- und Meerestechnik – in dem aktuellen Spannungsfeld weiterhin wettbewerbsfähig aufgestellt ist. Mit den unterschiedlichen Teilsegmenten bietet unsere Branche ein einzigartiges Portfolio an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten an. Und am Ende soll ein neuer Mitarbeiter ja nicht durch Incentives „geködert“, sondern durch eine sinnvolle und attraktive Beschäftigung erfolgreich gehalten werden. 

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