Editorial aus Schiff&Hafen 10/2020: Blick nach vorn

Kathrin Lau, Stellvertretende Chefredakteurin

Die Tourismusbranche ist weiterhin stark von der Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen betroffen. Die World Tourism Organization rechnet für 2020 mit bestenfalls insgesamt 610 Millionen internationalen Touristen weltweit – das entspräche einem Rückgang von 58 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit einher geht natürlich auch der beispiellose Einbruch des Kreuzfahrtmarktes. Nachdem die Reedereien ihren Betrieb im März vorläufig eingestellt hatten, haben sich im Sommer die ersten Anbieter mit entsprechend angepassten Reiseoptionen mehr oder weniger erfolgreich vorgewagt.

Die norwegische Reederei Hurtigruten gehörte hier zu den Vorreitern: Bereits Ende Juni startete das Expeditionsschiff „Fridtjof Nansen“ ab Hamburg gen Nordkap; wenige Wochen später musste das Unternehmen allerdings sämtliche Hochseekreuz fahrten aufgrund von mehreren Infektionen bei Passagieren und Crewmitgliedern bis auf Weiteres wieder absagen.

TUI Cruises ist derzeit lediglich auf Nord- und Ostsee unterwegs, der komplette Neustart mit der gesamten Flotte ist erst für das Frühjahr 2021 geplant. AIDA Cruises hatte die Wiederaufnahmen ihrer Reisen zunächst für September angekündigt; aktuell ist der Saisonstart für den 17. Oktober angesetzt.

Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Die vergangenen Monate haben uns gezeigt, dass Planungssicherheit während der Corona-Pandemie zu einem Fremdwort geworden ist.

Doch was bedeutet die aktuelle Situation für die Schiffbau- und Zulieferindustrie, die gerade hierzulande lange Zeit vom Kreuzfahrtboom profitiert hat? Gleichwohl das gesamte Ausmaß noch nicht absehbar ist, werden fehlende Neubauaufträge, unsichere Perspektiven und verzögerte Zahlungen die gesamte Branche jetzt und künftig vor immense logistische und finanzielle Herausforderungen stellen. Mit einer nachhaltigen Erholung des Marktes wird, wenn überhaupt, frühestens in ein paar Jahren gerechnet.

Die Meyer Werft in Papenburg feiert in diesem Jahr ihr 225-jähriges Jubiläum. Dass das Familienunternehmen, das sich in den vergangenen Jahrzehnten an die Spitze des internationalen Kreuzfahrtschiffbaumarktes gearbeitet hat, gerade im Jubiläumsjahr vor derartige Herausforderungen gestellt werden würde, damit war am eigentlichen Geburtstag, dem 28.Januar 2020, nicht zu rechnen. Immerhin – bei Redaktionsschluss verzeichnete die Werft noch keine Stornierung von Neubauaufträgen; dem traditionellen Schiffbauer stehen jedoch harte Monate und Jahre bevor. Insgesamt 1,2 Milliarden Euro müsse man laut Unternehmens führung in den kommenden fünf Jahren einsparen; eine geplante Streckung des Auftragsbuchs konnte bislang noch nicht finalisiert werden.

Allen Widrigkeiten zum Trotz möchten wir in dieser Ausgabe aber auch das Jubiläum mit all den spannenden Meilensteinen der Meyer Werft in einem Special würdigen. Die Schiffbauer können auf eine bewegte Vergangenheit zurückblicken, in der schon zahlreiche Krisen erfolgreich gemeistert worden sind, und hoffentlich wieder in eine entspanntere Zukunft sehen.

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