Editorial aus Schiff&Hafen 11/2022: Kritische Infrastruktur nachhaltig schützen

Kathrin Lau, Chefredakteurin

Die Anschläge auf die „Nord Stream 1“-Pipeline sowie die kurzfristige Lahmlegung der Deutschen Bahn im Norden des Landes haben auf ganz unterschiedliche Weise gezeigt, wie verwundbar und ungeschützt kritische Infrastruktur in Europa sein kann. Zwei Vorfälle, die in ihrem Ausmaß vor einigen Monaten kaum denkbar waren und dann aber doch nicht vollkommen überraschten.

Manch einer mag – auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine und der dort aktuell immer wieder auftretenden Stromausfälle – ob dieser zerstörerischen Handlungen unken, dass dies nur die Spitze eines Eisbergs von Möglichkeiten ist.

Und während die Untersuchungen zu dem (offensichtlichen) Sabotageakt in der Ostsee andauern, die Bahn angekündigt hat, sich künftig mit zusätzlichen Netzkapazitäten und stärkeren Sicherheitsmaßnahmen besser schützen zu wollen, wird in Hamburg und im Bund darüber gestritten, ob der chinesische Staatskonzern Cosco eine 35-prozentige Minderheitsbeteiligung – wie 2021 vereinbart – am Containerterminal Tollerort des Hafenbetreibers HHLA erhält. In Hamburg, Berlin und Brüssel gehen die Meinungen dazu auseinander: auf der einen Seite stehen neben der HHLA Bundeskanzler Olaf Scholz, Hamburgs erster Bürgermeister Peter Tschentscher und Teile der SPD; auf der anderen Seite Koalitionspartner, Opposition und sogar der Bundesnachrichtendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Die Befürworter des Deals, den die Bundesregierung jetzt noch stoppen könnte, sehen in erster Linie die Wettbewerbsvorteile gegenüber Rotterdam und Antwerpen, wenn Hamburg von Cosco – mit 466 Schiffen die viertgrößte Containerreederei weltweit – als bevorzugter Hafen angefahren würde. Mit keinem anderen Land macht Hamburg bereits heute so viel Geschäft wie mit China: 2021 betrug das Umschlagvolumen 2,6 Mio TEU; auf Platz 2 folgen die USA mit lediglich 617 000 TEU.

Zudem gehe es ja nicht darum, den gesamten Hafen in chinesische Hände zu geben. Tollerort ist das kleinste von vier Terminals im Hamburger Hafen. Und hier sei eben nur eine Minderheitsbeteiligung geplant.

Auf der anderen Seite steht jedoch die Gefahr einer (weiteren) Abhängigkeit von einem Land, dessen aktuelle Politik und Verlautbarungen wenig mit dem Demokratie-, Freiheits- und Sicherheitsverständnis in Europa und der westlichen Welt gemein haben. Politiker mehrerer Parteien warnen davor, die Fehler der Russland-Politik jetzt mit China zu wiederholen.

Ein sich zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe zwischen den beteiligten Bundesministerien abzeichnender Kompromiss sieht vor, dass Cosco als Minderheitsaktionär lediglich 24,9 Prozent übernehmen darf.

Und so geht es also trotzdem erneut darum, ob wirtschaftliche Interessen über die allgemein gültigen Werte einer Gesellschaft gestellt werden dürfen; allerdings sind die Situation und das Wissen um Konsequenzen derartiger Abhängigkeiten heute eben ganz anders als noch vor einem Jahr.

Wie hoch darf der Preis sein, der für einen derartigen (benötigten?) Wachstumsschub gezahlt werden muss? Mehrfach wurde bereits betont, dass der chinesische Partner am Hamburger Terminal keinerlei Zugriff auf Daten oder strategisches Know-how erhalten werde; mit Blick auf die weltweiten Aktivitäten der Chinesen könnte das Engagement in Hamburg allerdings durchaus Anlass zur Sorge sein. Die Frage nach dem (grundsätzlichen) Umgang mit dem Handelspartner in Fernost ist nicht neu und wurde an dieser Stelle bereits viele Male aufgegriffen – sowohl für den maritimen Sektor als auch im geopolitischen Zusammenhang. Eine zufriedenstellende Lösung ist hierbei nicht in Sicht.

Ungeachtet des Ausgangs dieser Debatte sind die Bundesregierung und die Behörden gut beraten, klare Zuständigkeiten und Maßnahmen für kritische Infrastrukturen zu schaffen. Für bestehende Systeme sollten – sofern noch nicht geschehen – Redundanzen auf- und ausgebaut werden.

Die jüngsten Entwicklungen, national wie auch international, zeigen weiterhin, wie Abhängigkeiten gezielt ausgenutzt werden können.

Einen Partner, dem man nicht voll vertrauen kann, sollte man sich dann eher nicht an die Seite holen.

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