Editorial aus Schiff&Hafen 11/2023: Mit KI schneller zur Klimaneutralität?
Milliardär und Microsoft-Mitbegründer Bill Gates sagte unlängst in einem Interview, dass grün hergestellte Produkte wie Stahl oder Zement oder grüne Angebote im Transportbereich nicht mehr kosten dürften als die traditionelle Konkurrenz. Dafür brauche es im Umkehrschluss große Mengen an nachhaltig produziertem Strom. Mit seinem Unternehmen Breakthrough Energy investiert Gates darum in 100 Unternehmen, die unter anderem mit Künstlicher Intelligenz (KI) das Stromnetz optimieren wollen.
Mit innovativen Technologien statt Verzicht der Klimakatastrophe zu begegnen, ist auch das immer wieder betonte Credo mindestens einer der in der Ampel-Koalition mitregierenden Parteien. Dabei mag manchmal der Eindruck entstanden sein, dass in Deutschland noch einiges an Nachholbedarf besteht. Wenn wir das Wirtschaftswachstum, die Position als eine der führenden Industrienationen und damit verbunden auch unseren Wohlstand nachhaltig sichern wollen, ohne noch mehr Raubbau an unserem Planeten zu treiben, liegt die Wahrheit – wie so oft – vermutlich in der Mitte. Eine Verbindung von Verzicht – denn ein „Weiter so“ kann es bei der Nutzung endlicher Ressourcen ebenso wenig geben wie bei der Emissionsbelastung durch Industrie, Verkehr und Gesellschaft – mit dem klugen Einsatz fortschrittlicher Technologien.
Allerdings – und das ist gerade in Bezug auf Künstliche Intelligenz interessant – darf bei deren Anwendung auch der dabei entstehende ökologische Fußabdruck nicht außer Acht gelassen werden. So sind beispielsweise die gesamte Infrastruktur der Rechenzentren und die Netzwerke zur Datenübermittlung für zwei bis vier Prozent der weltweiten CO2 -Emissionen verantwortlich, so aktuelle Daten der in Berlin ansässigen Nichtregierungsorganisation Algorithmwatch. Das ist in etwa so viel wie die Emissionen der Luftfahrtindustrie. KI nehme davon einen sehr großen Teil ein, so die Forschenden. Ob diese Belastung durch die Ergebnisse, die entsprechende Anwendungen uns liefern, ausgeglichen werden können, bleibt abzuwarten.
Was bedeutet das jetzt konkret für die maritime Branche? Automatisierungslösungen und digitalisierte Systeme sind bereits seit vielen Jahren im Einsatz – sie sollen die Schifffahrt sicherer, wirtschaftlicher und natürlich auch sauberer machen. Zahlreiche Unternehmen – gerade in der Zulieferbranche – haben hier eine Pionierstellung eingenommen, sei es durch die Entwicklung autonomer Steuerungssysteme, 3D-Druck oder innovativer Software, beispielsweise für die Optimierung von Hafenliegezeiten. Auch für das Monitoring der Motoren kommen immer intelligentere Systeme zum Einsatz. Die Forschung und Entwicklungsarbeiten sind wichtig und richtig und auf dem Weg zur Erreichung der Klimaziele – auch und nicht zuletzt in der internationalen Schifffahrt – unerlässlich. Künstliche Intelligenz kann dabei für umfassende Rechenmodelle und Mustererkennungen eingesetzt werden, sowohl im Schiffbau, in der Schifffahrt als auch in den Häfen.
Verzicht ist in diesem Zusammenhang eher keine Option: Die globale Nachfrage nach Waren und Energie sowie der Ausbau der erneuerbaren Energie auf See verlangen nach einer nachhaltig aufgestellten internationalen Handelsflotte, Spezialschiffbau und zukunftsfähiger Ingenieurtechnik.