Editorial aus Schiff&Hafen 11/2020: Abwarten ist keine Lösung

Kathrin Lau, Stellvertretende Chefredakteurin

Seitdem das Europäische Parlament Mitte September für die Einbeziehung der CO2-Emissionen der Seeschifffahrt in das EU-Emissionshandelssystem gestimmt hat, ist es schnell wieder ruhiger geworden um diesen geplanten Schritt auf dem Weg in eine klimaneutrale Schifffahrt.

Das mag daran liegen, dass in den vergangenen Wochen die internationalen Corona- Fallzahlen wieder rapide angestiegen sind und wir uns inmitten einer „zweiten Welle“ befinden. Oder – da ja noch aussteht, ob die Entscheidung von den Mitgliedsstaaten angenommen wird – dass erst einmal abgewartet wird.

Zum Hintergrund: Würde die Regelung angenommen, müssten Eigner von Schiffen ab einer Größe von 5000 BRZ, die europäische Häfen anlaufen, ab 2022 Treibhausgasemissionen durch den Erwerb von Emissionszertifikaten ausgleichen. Die Einnahmen würden zu großen Teilen in einen sogenannten Ocean Fund fließen. Dieser könnte dann die Mittel bereitstellen, die benötigt werden, um die Energieeffizienz der fahrenden Flotte zu optimieren bzw. um Investitionen in innovative Technologien und Infrastruktur zu unterstützen.

Während dieser Ansatz von einigen begrüßt wird, geht er für andere nicht weit genug. Neben den zusätzlichen Kosten, die in erster Linie die Reedereien betreffen, ist die Sinnhaftigkeit einer europäischen Lösung in einer global agieren Branche sicherlich zu hinterfragen. Insbesondere müsste die EU-Verordnung sehr klar festlegen, welcher Teil einer Reise dem Emissionshandelssystem unterliegt, wenn ein Schiff beispielsweise zwischen Singapur und Rotterdam und nicht nur in europäischen Gewässern verkehrt. Darüber hinaus kann ein rein europäischer Ansatz einen Flickenteppich anderer regionaler Vereinbarungen fördern, die einer globalen Klimapolitik im Wege stehen.

Dennoch: Nichts zu tun kann und darf keine Lösung sein. Auf ein Allheilmittel zu warten, das alle Kriterien und Herausforderungen einer klimaschonenden Schifffahrt sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich erfüllt, wird vermutlich in naher Zukunft von wenig Erfolg gekrönt sein.

Das betrifft gleichermaßen die aktuelle Diskussion um den Einsatz von LNG als Schiffskraftstoff. Selbstverständlich wird ein fossiler Brennstoff langfristig nicht dazu beitragen können, die globalen Klimaziele zu erreichen. Aber sowohl die Ressourcen als auch die Technologien sind jetzt verfügbar und können bereits heute einen großen Beitrag leisten, gesundheits- und umweltschädigende Emissionen zu reduzieren oder gar zu eliminieren. Aber natürlich müssen die Forschungsaktivitäten fortgeführt und intensiviert werden, was auch der Fall ist: Der LNG Report 2020/2021, der dieser Ausgabe von Schiff&Hafen beiliegt, trägt diesen Entwicklungen noch einmal verstärkt Rechnung. Neben aktuellen und künftigen LNG-Projekten stehen in diesem Jahr auch weitere alternative Kraftstoffe im Fokus.

Ein sehr erfolgreiches Beispiel für die Verwendung von LNG ist das Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiff „Atair“, das kürzlich an das BSH übergeben wurde. Wir beleuchten in dieser Ausgabe noch einmal detailliert die Eigenschaften und Merkmale dieses innovativen Schiffs.

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