Editorial aus Schiff&Hafen 4/2021: Segel setzen

Kathrin Lau, Stellvertretende Chefredakteurin

Die Ablieferung des LoRo-Schiffs „E-Ship 1“ war während meiner ersten Tage in der Schiff&Hafen-Redaktion ein großes Thema. 2006 vom Windkraftanlagenhersteller Enercon auf der Lindenau-Werft in Kiel bestellt, wurde der Neubau 2010 auf der Cassens-Werft in Emden fertiggestellt. Das Besondere am „E-Ship 1“ war der Einsatz von Segelrotoren zur Unterstützung des Antriebs.

Die Idee, den Magnus-Effekt für die Schifffahrt nutzbar zu machen, war nicht neu: Sie geht auf das Jahr 1924 zurück, als Anton Flettner auf der Germania-Werft in Kiel den Dreimastschoner „Buckau“ zu einem Rotorschiff mit Rollsegeln umbauen ließ. Das Projekt verlief zwar technisch erfolgreich, die Ergebnisse zeigten jedoch, dass die Rotoren nicht als Hauptantriebsquelle geeignet waren, insbesondere nicht auf größeren Schiffen.

Auch fast hundert Jahre später hat sich keine Form des Windantriebs in der kommerziellen Schifffahrt durchsetzen können. Interessanterweise haben sich jedoch in den vergangenen Monaten weltweit vielversprechende Konzepte und Ansätze für windunterstützte Antriebssysteme entwickelt. Große Namen wie Wallenius Wilhelmsen und Oldendorff Carriers prüfen derzeit Windkraft als zusätzliche Energiequelle für ihre Schiffe. Gleichzeitig veröffentlichen Klassifikationsgesellschaften wie DNV und Bureau Veritas neue Richtlinien für den Einsatz derartiger Systeme.

Auf der anderen Seite reduzieren Betreiber, die bereits Erfahrungen mit den Rotoren sammeln konnten, ihre Bemühungen in diesem Feld wieder.

So wurde beispielsweise die RoPax-Fähre „Viking Grace“ im Jahr 2018 mit einem Rotorsegel nachgerüstet. Viking Line hatte sich davon signifikante Einsparungen bei Treibstoff und Emissionen versprochen. Der Neubau „Viking Glory“, der derzeit bei der chinesischen Xiamen Shipbuilding Industry Co., Ltd. fertiggestellt wird, wird entgegen der ursprünglichen Planung noch nicht mit den Rotorsegeln ausgestattet. Trotz der Entscheidung, diesen zusätzlichen Antrieb für die „Viking Glory“ nicht zu verwenden, erwartet die Reederei von ihrem neuen, größeren Flaggschiff eine zehnprozentige Verbesserung der Effizienz im Vergleich zum ersten und bisher einzigen in Fahrt befindlichen RoPax-Schiff mit LNG-/Wind-Antrieb.

Welche Rolle werden Segeltechnologien bei der Erreichung der Klimaziele der maritimen Branche also spielen (können)?

Fest steht, Wind ist kostenlos und fast überall verfügbar. Insbesondere vor dem Hintergrund einer zu erwartenden – europäischen oder globalen – CO2-Bepreisung in der Handelsschifffahrt kann sich die Nutzung eines zusätzlichen Windantriebs für Reeder als attraktive Ergänzung erweisen.

Die künftige Verwendung von Methanol oder Ammoniak wird dabei auf dem Weg zu einem emissionsfreien Schiffsbetrieb sicherlich auch weiterhin das Mittel der Wahl bleiben; die zunächst hohen Kosten dieser fossilfreien (E-) Kraftstoffe könnten jedoch bei bestimmten Anwendungen die Investition einer Segelinstallation rechtfertigen.

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