Editorial aus Schiff&Hafen 9/2021: Wind und Wasser(stoff)
Der Wahlkampf für die Bundestagswahl ist in der „heißen Phase“ angekommen. Selten haben sich eine scheidende Regierung und entsprechend auch die Amtsanwärter gleichzeitig mit einer derartigen Vielzahl an nationalen, internationalen und geopolitischen Herausforderungen konfrontiert gesehen.
Spätestens nach den katastrophalen Überflutungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sind dabei die Klimaschutzpläne der einzelnen Parteien auch noch einmal mehr in den Fokus gerückt. Ansätze, die es ermöglichen sollen, bis zum Jahr 2045 in Deutschland klimaneutral zu wirtschaften, gibt es bei (fast) allen Fraktionen in unterschiedlicher Form.
Neben marktwirtschaftlichen Mechanismen wie einer Ausweitung der CO2-Bepreisung kommt dabei dem Ausbau von erneuerbaren Energiequellen und in diesem Zusammenhang klimaneutral hergestelltem Wasserstoff eine entscheidende Rolle zu.
Zu den wichtigsten nachhaltigen Stromlieferanten gehört die Offshore-Windindustrie. Doch insbesondere hierzulande kommt der Ausbau nicht wie geplant voran. Auch, wenn die im Jahr 2014 beschlossene Drosselung der Ausbauziele mittlerweile obsolet ist – im aktuellen Windenergie-auf-See-Gesetz ist verankert, die Leistung bis zum Jahr 2030 von 15 GW auf 20 GW zu erhöhen – ist die Branche ins Stocken geraten. Speziell an Standorten wie Bremerhaven, wo die Schaffung des neuen Industriezweiges als Chance für eine eher strukturschwache Region galt, hat die Unsicherheit durch die sich ändernde wirtschaftspolitischen Vorgaben zu Insolvenzen und Abwanderung von Know-how geführt. Erstmals seit mehr als zehn Jahren wird in diesem Jahr in Deutschland kein Zubau bei der Windenergie auf See stattfinden, berichtete die Stiftung Offshore-Windenergie im Juli. Dabei ging und geht es bei der Etablierung der Offshore-Windindustrie ja nicht nur um die Abkehr von fossilen Energiequellen, sondern auch um zukunftsfähige Arbeitsplätze, neue Wertschöpfungspotenziale und die Erschließung eines globalen Milliardenmarkts.
Gleiches gilt für die rasch wachsende Wasserstoffwirtschaft. Mit der vor gut einem Jahr verabschiedeten Nationalen Wasserstoffstrategie hat die Bundesregierung ein wichtiges Signal gesetzt, doch auch hier müssen Ausbaupläne nun konkretisiert werden. Durch die aktuelle Verschärfung der deutschen Klimaziele wird der Bedarf an grünem Wasserstoff allerdings voraussichtlich schneller steigen als bislang vorgesehen. Um die derzeit avisierten 5 GW Elektrolysekapazität bis zum Jahr 2030 erreichen zu können, muss nicht zuletzt der Aus- und Zubau der Offshore-Windenergie wieder zügig vorangetrieben werden.
Die spezielle Bedeutung der Offshore-Windindustrie für die Wasserstoffwirtschaft wird auch bei der Husum Wind, die vom 13. bis 17. September stattfindet, einer der Kernpunkte sein. Der Branchentreff an der Nordseeküste ist in diesem Jahr noch einmal verstärkt in den Fokus gerückt. Vielleicht, weil die dort behandelten Themen angesichts aktueller Entwicklungen dringlicher sind denn je; vielleicht aber auch, weil die geplante Präsenzveranstaltung nach langer Pause hoffentlich wieder den persönlichen Austausch zwischen den Branchenvertretern ermöglicht.