Editorial aus Schiff&Hafen 5/2023: Fehlt ein Masterplan?

Katrin Lau, Chefredakteurin

Es ist bemerkenswert, wie sehr digitale Systeme zu einer Selbstverständlichkeit in unserem Alltag geworden sind. Meistens denken wir gar nicht mehr über all die digitalen Anwendungen nach, die wir nutzen, sei es im privaten oder beruflichen Kontext. Dabei ist es sehr unterschiedlich, wie weit und wie schnell die digitale Transformation – wenn man diesen Begriff bemühen möchte – in den verschiedenen gesellschaftlichen und industriellen Segmenten voranschreitet und bereits vorangeschritten ist.
Die diesjährige Hannover Messe, die sich nach dem coronabedingten Einbruch erholt hat und in diesem April wieder um die 4000 Unternehmen begrüßen konnte, stand wieder ganz im Fokus der Industrie 4.0; Hauptaugenmerk lag auf zukunftsweisenden Technologien und der Frage, wie wir die aktuellen globalen Herausforderungen kurzfristig intelligent angehen können. Unter dem Motto „Lösungen für eine vernetzte und klimaneutrale Industrie“ wurden u.a. Lösungen und Ansätze zur Digitalisierung und Automatisierung komplexer Produktionsprozesse, für den Einsatz von Wasserstoff zur Energieversorgung und Software zur Erfassung und Reduzierung des CO2-Fußabdrucks vorgestellt.
Auf der anderen Seite haben vor Kurzem führende Wirtschaftsverbände Kritik an einem Gesetzesentwurf der Regierungskoalition zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung geübt. Es fehle ein für alle Ebenen geltendes Digitalisierungskonzept im Sinne eines Masterplans. Zu kurz komme den Wirtschaftsvertretern etwa der Bürokratieabbau.
Die maritime Branche steht vermutlich zwischen diesen beiden Extremen. Erste Schritte sind getan – sei es im Bereich der Entwicklung automatisierter Assistenz- und Monitoringsysteme bis hin zu Anwendungsmöglichkeiten KI-gestützter Technologien. Darüber hinaus gibt es aber auch noch viel ungenutztes Potenzial. Potenzial, das sicherlich dazu beitragen könnte, den Schiffbau und die Schifffahrt (noch) sauberer, sicherer und effizienter zu gestalten.
Fehlt auch hier ein „Masterplan“? Sicherlich ist die internationale maritime Branche nicht mit dem öffentlichen Verwaltungsapparat in Deutschland zu vergleichen. Aber auch hier scheitern zeitnahe Fortschritte mitunter an zu hoher Bürokratie – sei es auf Unternehmens­ebene oder weil von der Politik Signale, Vorgaben und auch Förderungen nicht oder zu langsam kommen.
Für einen so heterogenen Wirtschaftszweig kann ein übergeordneter Masterplan keine gangbare Lösung sein. Da wir jedoch mittlerweile längst die „Trial and Error“-Phase verlassen haben, in der Ergebnisse eher überraschend erreicht werden, muss die Diskussion über die Einführung von Standards und die Angleichung von Prozessen auch hier weitergeführt werden. Nur so können Technologien gezielt entwickelt werden und Kooperationen aus verschiedenen Stakeholdern lösungsorientiert und erfolgreich agieren.
Dazu passt übrigens unsere aktuelle Ship&Offshore Sonderausgabe SmartShip, die auch in diesem Jahr wieder umfangreich über aktuellen Entwicklungen im Bereich der Automatisierung und Digitalisierung in Schiffbau und Schifffahrt berichtet. Erstmals haben wir diese Publikation als E-Paper auch unseren Schiff&Hafen-Lesern zur Verfügung gestellt.

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