50 Jahre Marine - Stetiger Wandel
Ihr Wandel ist beständig, eins ist geblieben: der Hafen der ersten Stunde - Wilhelmshaven. Am 2. Januar 1956 zogen dort nach der umstrittenen Wiederbewaffnung Deutschlands die ersten Marine-Soldaten in die Ebkeriege-Kaserne ein. Nebenan wohnten noch Flüchtlinge aus dem Zweiten Weltkrieg. Seither hat sich die Marine mehrfach reformiert, Ballast über Bord werfen und Klippen umschiffen - und Unglücke verkraften müssen. Mit einem Großen Zapfenstreich feiert die mit knapp 19 000 Mann kleinste Teilstreitkraft der Bundeswehr an diesem Sonntag in Wilhelmshaven ihren 50. Geburtstag. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) kann der Teilstreitkraft vor allem eins versichern: neue Aufgaben.
Jung will, wie schon sein Vorgänger Peter Struck (SPD), dass die Marine im Falle eines Terrorangriffes, etwa auf einen deutschen Hafen, unabhängig von der Polizei eingesetzt werden kann. Da dies unter einen Bundeswehreinsatz im Inland fällt, den das Grundgesetz derzeit nicht erlaubt, will Jung für die See-Streitkraft wie für die Luftwaffe eine entsprechende Verfassungsänderung durchsetzen. Selbst die oppositionellen Grünen werden sich nicht dagegen sperren. Ihr sicherheitspolitischer Sprecher im Bundestag Winfried Nachtwei betont jedoch: «Man kann über eine Klarstellung im Grundgesetz sprechen, aber auf keinen Fall über eine Ausweitung des Verteidigungsbegriffs.»
Jung hat ferner für Aufregung unter Verteidigungspolitikern mit seiner Ankündigung gesorgt, die Bundeswehr auch zur Sicherung der Energieversorgung einzusetzen. Sein Argument: Das mache die Marine bereits mit der Sicherung der Seewege am Horn von Afrika. Was der Minister aber genau darunter versteht, ist noch unklar. Nachtwei befürchtet, dass dies ein «Türöffner in Richtung Ressourcen-Kriege» sei. Dazu sei die Bundeswehr nicht legitimiert.
Das Motto des Jubiläums lautet «Für Frieden, Freiheit und Recht». Wie die ganze 250 000 Mann starke Bundeswehr konzentriert sich die Marine auf Auslandseinsätze. Das schwerste Unglück widerfuhr der Bundesmarine vor 40 Jahren, als das U-Boot «Hai» bei einer Überwasserfahrt in Richtung Schottland in der Nordsee sank und 19 Soldaten starben. Das Boot, Baujahr 1944/45, wurde wenig später gehoben und im selben Jahr verschrottet. 2002 kam es zu einer Tragödie auf der Ostsee, als zwei junge Marine-Soldaten der Fregatte «Mecklenburg-Vorpommern» während eines NATO-Manövers beim Übersetzen von einer Fregatte zur anderen über Bord gingen und ertranken.
Die Geschichte der DDR-Volksmarine endete im Grunde 1990 mit ihrer Übernahme durch die Bundesmarine. Die DDR hatte andere Waffensysteme, die die Bundesregierung nicht erhalten wollte, weil dies als unnötig, zu aufwendig und kostspielig angesehen worden war. Ein übernommener Hubschrauber-Typ wurde wenig später ausgemustert, weil er nicht gebraucht wurde, wie es hieß. Längere Verwendung hatten dagegen «Wohnschiffe» als Hilfsschiffe der Flotte. Die Bundesmarine musste sich damals nur von ihrem Namen verabschieden. Seit 16 Jahren gibt es nur noch einheitlich die «Deutsche Marine».
Mit der im Jahr 2000 eingeleiteten Bundeswehrreform hat aber auch sie abspecken müssen. Mit am schmerzlichsten empfand sie die in diesem Monat nun endgültige Auflösung des Marinegeschwaders mit den Kampfflugzeugen Tornado. Diesen Part übernimmt künftig die Luftwaffe.
Der neue Marine-Inspekteur, Vizeadmiral Wolfgang Nolting, sagt, der Flotte bereiteten die immer knapperen Haushaltsmittel Sorge. In diesem Jahr sei die Marine gezwungen, in Teilen auf Instandsetzungen zu verzichten. In seinem Tagesbefehl zu seinem Amtsantritt schrieb er: «Wir alle wissen, dass der Dienst in unserer Marine im fünfzigsten Jahr ihres Bestehens wohl noch nie so vielfältig, aber auch so fordernd war wie heute im Zeitalter der Transformation.»
Die aktuellen Einsatzgebiete
Die Deutsche Marine beteiligt sich derzeit mit rund 660 Soldaten an drei Auslandseinsätzen. Zwei stehen unter der Führung der NATO. Die Einsätze:
ENDURING FREEDOM: Etwa 250 Soldaten befinden sich im zur Zeit größten Einsatz der Marine am Horn von Afrika. Sie helfen an Bord der Fregatte «Lübeck» bei der US-geführten Anti-Terror-Operation «Enduring Freedom». Stützpunkt der Marine ist der Hafen des Stadtstaates Dschibuti zwischen Äthiopien, Somalia und Eritrea.
ACTIVE ENDEAVOUR: Die Marine beteiligt sich mit etwa 20 Soldaten an der NATO-Operation «Active Endeavour» gegen den internationalen Terrorismus. Die Marinestreitkräfte überwachen das Mittelmeer und zeigen dort Präsenz.
NATO RESPONSE FORCE: Im Rahmen der «NATO Response Force» (NRF) ist die Deutsche Marine als einziger NATO-Partner in allen vier internationalen NATO-Verbänden tätig. In diesen beteiligen sich die insgesamt 390 Marinesoldaten an Embargo- sowie Such- und Rettungsoperationen. Außerdem leisten sie humanitäre Hilfe oder sind Anti-Terror-Einsätzen beteiligt. Zudem sind deutsche Marinesoldaten im Mittelmeer und in angrenzenden Seegebieten in ständiger Einsatzbereitschaft und räumen Minen.
Chronik
Die Marine feiert jährlich am 14. Juni ihren Geburtstag. Am 14. Juni 1848 beschloss die Nationalversammlung den Bau der ersten gesamtdeutschen Flotte. Die Bundesmarine entstand 1956. Eine Chronologie:
2. Januar 1956: Mit dem Einrücken der ersten Freiwilligen in die Wilhelmshavener Ebkeriege-Kaserne beginnt der Aufbau der Bundesmarine. Auch die DDR stellt eine Flotte zusammen.
1. April 1957: Als erste Verbände der Bundeswehr werden der NATO zwei Minensuchgeschwader unterstellt.
16. Januar 1958: Die ersten Wehrpflichtigen werden zur Marine einberufen.
17. Dezember 1958: Das Segelschulschiff «Gorch Fock» wird in Dienst gestellt.
14. September 1966: Beim Untergang des U-Bootes «Hai» in der Nordsee kommen 19 Soldaten ums Leben.
27. September 1979: Die «Bremen», erste von sechs neuen Fregatten der Klasse 122, wird zu Wasser gelassen.
2. Juli 1982: Als erste Teilstreitkraft rüstet die Marine einen Einsatzverband auf das neue Kampfflugzeug «Tornado» um.
5. April 1984: Der ständige NATO-Einsatzverband im Atlantik wird erstmals einem deutschen Kommandeur unterstellt, wie bereits der NATO-Einsatzverband Ärmelkanal im Mai 1982.
3. Oktober 1990: Übernahme der DDR-Volksmarine. Seit der Wiedervereinigung heißt die Bundesmarine «Deutsche Marine». Neue Ziele werden Konfliktverhütung und Anti-Terror-Kampf.
1991: Minensuche im Persischen Golf vor der Küste Kuwaits mit sieben Schiffen auf Bitten der UN und der USA.
1992 bis 1996: Die Marine beteiligt sich am Embargo gegen Serbien und Montenegro in der Adria und bringt Soldaten aus Somalia zurück.
29. Januar 1998: Das Marineamt Rostock wird in Dienst gestellt.
Die Kommandobehörde hatte ihren Sitz bis dahin in Wilhelmshaven.
2. Januar 2002: Ein Flottenverband der Bundesmarine läuft zum Anti-Terror-Einsatz «Enduring Freedom» am Horn von Afrika aus.