Elbe-Seitenkanal profitiert vom Containerboom

Wäre der Elbe-Seitenkanal ein Mensch, dann müsste man seine Beziehung zur Lüneburger Heide wohl als langsam gewachsen bezeichnen. Liebe auf den ersten Blick war es jedenfalls nicht: Als die 115 Kilometer lange Wasserstraße von der Elbe zum Mittellandkanal am 15. Juni 1976 eröffnet wurde, überwog vielfach die Skepsis. Als «Heide-Suez» wurde der scheinbar nutzlose Kanal durch das Zonenrandgebiet verspottet, der zu allem Überfluss nur vier Wochen später durch einen Dammbruch monatelang lahm gelegt wurde. 30 Jahre nach der Eröffnung sind solche Vorbehalte jedoch verschwunden.

«Der Elbe-Seitenkanal ist eine Erfolgsgeschichte», sagt Jörg Rusche, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschiffahrt. Tatsächlich belegen die neuesten Zahlen des Wasser- und Schifffahrtsamtes Uelzen eine beeindruckende Entwicklung: Von 4,4 Millionen Tonnen im ersten vollen Betriebsjahr 1978 hat sich die Menge der transportierten Güter bis 2005 auf 8,8 Millionen Tonnen verdoppelt - den rasant wachsende Containerverkehr nicht mitgezählt.

Martin Exner, Bereichsleiter für Standortpolitik bei der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg, sieht für diesen Erfolg mehrere wesentliche Faktoren. Da ist zum einen die Verkürzung der Strecke von Hamburg zum Mittelkanal um mehr als 200 Kilometer im Vergleich zu anderen Strecken. Für Industriestädte wie Wolfsburg und Salzgitter bedeutet sie eine erheblich verbesserte Anbindung an den Schiffsverkehr. Hinzu kommt, dass der Kanal eine Alternative zur bei Hoch- oder Niedrigwasser nicht schiffbaren Elbe bietet.

Entgegen den ersten Erwartungen haben die Häfen am Kanal auch regionalwirtschaftliche Bedeutung erlangt. «Da findet ein nicht unerheblicher Güterumschlag statt», sagt Exner mit Blick auf Zahlen von 166 000 Ladungstonnen in Lüneburg, 178 000 Tonnen in Uelzen und 155 000 Tonnen in Wittingen im Jahr 2005. Den größten Anteil machen Brennstoffe wie Kohle und Gas etwa für Kraftwerke aus, gefolgt von Futtermitteln und anderen Agrargütern. Nicht zuletzt ist der Kanal ein touristisches Ziel: Das Wasser zieht Freizeitsportler und Ausflügler an, das Schiffshebewerk Scharnebeck Technikenthusiasten.

Weniger ins Auge stechend ist der Nutzen für die Gemüsebauern in der regenarmen, aber anbauintensiven Ostheide. «Ohne Berieselung ist die Landwirtschaft in der Region nicht überlebensfähig», sagt Agraringenieurin Elisabeth Schulz von der Bezirksstelle Uelzen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Der Kanal liefere Wasser für ein Zehntel der berieselten Flächen in den Landkreisen Gifhorn und Uelzen. Um die Grundwasservorkommen zu schonen, werde derzeit mit EU-Hilfe untersucht, wie dieser Anteil verdoppelt werden könne.

Die größten Chancen für die Zukunft des Kanals ergeben sich aus dem Boom des Hamburger Containerhafens, muss doch die Fracht ins Hinterland weitertransportiert werden. Allein von 2004 bis 2005 wurde an der Schleuse Uelzen ein Sprung von 39 000 auf 73 000 transportierte Containereinheiten (TEU) registriert. «Das zeigt die Dynamik dieses Teilbereichs, der in den nächsten Jahren weiter anwachsen wird», sagt IHK-Fachmann Exner.

Branchenvertreter Rusche warnt allerdings bereits: «Den langfristigen Anforderungen der Schifffahrt wird der Kanal nicht entsprechen.» So lasse die Wassertiefe nur zwei Containerschichten pro Schiff zu, während auf der Elbe drei Schichten gestapelt werden könnten. Auch sei das Schiffshebewerk Scharnebeck nur für Schiffe bis zu 100 Metern Länge ausgelegt. Der Trend auf den Binnenwasserstraßen gehe aber zu immer längeren Schiffen.

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