Elbfischer auf Beutefang für Asien

Olaf Jensen zieht die Startleine. Einmal, zweimal, dann knattert der Außenborder los und zerstört die Stille. Es ist vier Uhr morgens, und Fischer Jensen steuert seinen Kahn aus dem Seitenkanal auf die Elbe hinaus. Mitten im Hamburger Hafen hat er zwölf Reusen ausgelegt. Seine Beute: Wollhandkrabben. «Vor etwa 100 Jahren sind die Krustentiere mit Handelsschiffen aus China hergekommen. In der Elbe haben sie sich seitdem rasant vermehrt», erzählt Jensen. Deutsche Gourmets verschmähen die Einwanderer mit dem grimmigen Blick und den behaarten Beinen. «Aber unter Chinesen gelten sie als Delikatesse.»

Deshalb ist der Elbfischer vor allem für asiatische Kundschaft auf Beutefang, für Großfamilien oder China-Restaurants aus der Region. 50 bis 80 Kilo holt der 49-Jährige jetzt in der Hochsaison täglich aus der Elbe. Demnächst sollen es noch mehr werden: «Ich bin mit einem Großhändler im Gespräch, der die Tiere europaweit vermarkten will.» Vor dem Airbus-Werk in Hamburg-Finkenwerder drosselt Jensen den Motor. Eine kleine, rote Schwimmboje zeigt den Standort der ersten Reuse an. Er hievt die Netzfalle über die Bordwand ins Boot. Es wuselt und krabbelt in jeder der zwölf Reusenkammern. Jensen nickt zufrieden und kippt seinen Fang in eine schwarze Plastikwanne. «Schön viele Wollis.» Ein paar Aale sind auch dabei, und ein platter Butt.

Über der Elbe dämmert es inzwischen. Ein Containerschiff zieht vorbei. Jensen senkt die Reuse zurück in die trübe Brühe des Stroms, wendet den Kahn und steuert in Richtung Containerhafen. Er schenkt sich einen Kaffee aus der Thermoskanne ein und erzählt: «Fischer bin ich seit 27 Jahren. Etwas besseres kann ich mir nicht denken.» Fast wäre der Vater zweier Söhne Büromensch oder Lehrer geworden: Erst kurz vor dem Diplom in Geschichte und Politik entschied er sich um und ging bei einem Ostsee-Fischer in die Lehre. Die Ostsee ist sein zweites Revier. In Kappeln an der Schlei fängt er je nach Saison Heringe, Dorsche oder Aale. In der Elbe fischt der Hamburger erst seit Ende der 90er Jahre wieder. «Vorher war der Fluss ziemlich verschmutzt, jetzt ist die Wasserqualität wieder gut.» Leben kann Jensen nach eigenem Bekunden ganz gut von seinem Beruf, doch die Zukunft sieht er eher düster: «Die Elbe soll vertieft, die Fahrrinne verbreitert werden; dadurch wird der Lebensraum für viele Fische schrumpfen und es gibt auch kaum noch Plätze für die Reusen».

Die nächste Reuse liegt vor dem Elbstrand. In wenigen Stunden werden hier hunderte Hansestädter anrücken, mit Kindern und Hunden, Würste grillen und Bierflaschen entkorken. Noch aber ist der Strand menschenleer und Olaf Jensen kippt wieder Dutzende Wollhandkrabben aus der Reuse in seine Wanne. Einen handtellergroßen Krebs packt er mit spitzen Fingern am Rücken und hält ihn in die Luft. Das Tier rudert mit den Beinen, greift mit den Zangen ins Leere. «Die Burschen können kräftig zukneifen», erzählt der Fischer. «Und sie sind sehr, sehr rege.» Bis sie in den Wok wandern, bleiben die Tiere am Leben. «Ein chinesischer Bekannter hatte einmal 500 Kilo der Krabben von mir gekauft und sie im Keller gelagert. Irgendwie haben die sich befreit und sind bis in die Wohnung gekrabbelt, in Schränke und hinter den Fernseher. Schöne Beschwerung», schildert Jensen. Man merkt dem Fischer an: Ganz geheuer sind ihm die haarigen Krustentiere nicht. Zwar verdient er mit ihnen seine Brötchen, aber hat er sie auch schon selbst gegessen? «Na klar. Probiert habe ich sie. Aber mein Fall sind sie nicht. Ein schönes Stück Dorsch mag ich lieber.»

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