Mit dem Schiff zur Kreistagssitzung

Stühmer nimmt für seine Insel einiges in Kauf. Während sich bei deutschen Spitzenpolitikern im Jahr tausende Flugkilometer anhäufen, sammelt der Sozialdemokrat Seemeilen. Stühmer ist Helgolands Kreistagsabgeordneter. Da Deutschlands einzige Hochseeinsel zum Kreis Pinneberg (Schleswig- Holstein) gehört, reist Stühmer einmal pro Monat die 70 Kilometer Richtung Festland per Schiff, dann weiter mit der Bahn, bis er schließlich im Pinneberger Kreistag ankommt. Grundvoraussetzung für sein Mandat ist Seefestigkeit. «Schlafen ist das beste Mittel gegen Seekrankheit», erzählt der 67-Jährige.

Da die Schiffe im Winter nicht täglich fahren, ist der Abgeordnete bis zu vier Tage für eine Sitzung unterwegs. Wie das abläuft, sagt Stühmer im Stakkato-Stil auf: Dienstag 7.30 Uhr Fahrt mit dem Schiff nach Cuxhaven. Weiter mit dem Zug nach Hamburg. Mit der S-Bahn nach Pinneberg. Übernachtung. Mittwoch Kreistagssitzung. Übernachtung. Donnerstag fährt kein Schiff nach Helgoland. Übernachtung. Freitag mit dem Zug nach Cuxhaven und von dort um 10.30 Uhr per Schiff nach Helgoland. Als Sitzungsgeld erhält der Rentner und Hobby-Geologe 17 Euro plus die Erstattung der Fahrt- und Übernachtungskosten. Mit dem Flugzeug möchte Stühmer nicht reisen, «das ist mir zu unsicher», erklärt er. Zwischen Helgoland und Festland pendeln kleine Propellermaschinen. «Ich mache das mit dem Reisen gerne, auch wenn Helgoland nur in ganz wenigen Sitzungen eine Rolle spielt», berichtet der SPD-Politiker. Bevor er 2002 zum Reisenden in Sachen Politik wurde, war er unter anderem 38 Jahre lang Leiter des Außenbezirks Helgoland beim Wasser- und Schifffahrtsamt Tönning.

Seine Beziehung zum Kreis Pinneberg ist derzeit etwas belastet, denn viele Insulaner fühlten sich von Landrat Wolfgang Grimme schlecht behandelt. Er will den Hafen ausbauen lassen, um feste Anlegeplätze für die Seebäderschiffe zu schaffen. Dies würde das Aus für die Börteboote bedeuten. «Ich habe deutlich mein Missfallen über die Hafenpläne zum Ausdruck gebracht, weil dadurch 30 Arbeitsplätze verschwinden würden», sagt Stühmer. Mit den Eichenbooten sind bisher rund 45 Millionen Menschen gefahren, «das Ausbooten ist der Einstieg ins Abenteuer Helgoland», meint der Kreistagsabgeordnete. Nach einem Besuch von Wirtschaftsminister Dietrich Austermann (CDU) aus Kiel auf Helgoland steht aber ein Kompromiss im Raum: Einige Anlegeplätze kommen und die Börte bleibt.

Bei den Börtebooten gibt es eine schwarz-rot-gelbe Koalition auf der Insel, auf der 1841 Hoffmann von Fallersleben das Lied der Deutschen schrieb. Passend zur hohen Sonnenstunden-Anzahl dominiert auf Helgoland politisch gesehen die Farbe Gelb. Im Gemeinderat hat die FDP fünf Sitze, CDU und SPD jeweils vier. Der SPD-Ortsverein hat noch etwa 30 Mitglieder. «Es mangelt uns am Nachwuchs», gibt Stühmer zu. Viele junge Leute kehren der 1400-Seelen-Gemeinde den Rücken. Im Pinneberger Kreistag sieht sich Stühmer als Anwalt der Insel mit dem charakteristischen roten Felsen - auch wenn seine Meinung trotz der Reisestrapazen selten verlangt wird. Zuletzt ging es um Themen wie die Erweiterung der Müllverbrennungslage Pinneberg, da hat Helgoland andere Sorgen. 2006 kamen nur noch 430 000 Touristen und durch ein EU-Richtlinie zur Modernisierung der Fährschiffe könnten nächstes Jahr wichtige Verbindungen wegfallen. Zur 75-jährigen Zugehörigkeit Helgolands zum Kreis Pinneberg kann sich Stühmer nun aber über ein besonderes Geschenk freuen. Der Kreistag wird im September auf Helgoland tagen - und Sozialdemokrat Stühmer kann sich eine Seereise sparen.

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