Deutsche Seeschifffahrt: Mit starkem Standort nachhaltig in die Zukunft

Der VDR hat 2023 zum Jahr der Ausbildung ausgerufen. Die Zahl der Berufsanfänger war zuletzt wieder leicht gestiegen

(Foto: Lau / Schiff&Hafen)

Der Verband Deutscher Reeder (VDR) hat aktuelle Zahlen zur Lage der Seeschifffahrt in Deutschland vorgestellt. Nach zwei sehr guten Ausnahmejahren sei inzwischen eine Normalisierung der Märkte mit auskömmlichen Raten eingetreten, so Präsidentin Dr. Gaby Bornheim und Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Kröger. Es gelte nun, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Schifffahrtstandortes weiter zu stärken, die Bemühungen zur Ausbildung und Nachwuchssicherung für die Branche zu intensivieren, die deutsche Handelsflotte bis 2050 klimaneutral zu betreiben und Deutschland seinen Zugang zu freien, sicheren Seewegen und zum Welthandel zu sichern.

Geopolitische Lage

Der seit einem Jahr andauernde Krieg in der Ukraine habe nach wie vor auch Auswirkungen auf die internationale Seeschifffahrt. So säßen immer noch 364 Seeleute und 62 Schiffe in der Ukraine fest. Bornheim: „Wir sorgen uns sehr um die Seeleute, die auch nach einem Jahr Krieg in der Ukraine immer noch nicht nach Hause zurückkehren konnten. Wir appellieren an alle Beteiligten, den Seeleuten alsbald eine Rückkehr in ihre Heimatländer zu ermöglichen.“

Der Krieg verändere auch die Märkte für die Seeschifffahrt, weit über die Grenzen des Schwarzen Meeres hinaus. So transportieren etwa 40 Prozent der Welthandelsflotte Energie, Tendenz steigend. Es sei sicher, dass sich im Rahmen des strengen und auch von der deutschen Seeschifffahrt uneingeschränkt unterstützten Sanktionsregimes gegen Russland langfristig Anlaufpunkte und Handelsrouten verschieben würden, insbesondere beim Transport von Energie über See. Deutschland sei dabei, seine Importinfrastruktur für Flüssigerdgas in sehr kurzer Zeit vollständig neu aufzusetzen, mit einem klaren Fokus auf Seetransporten.

Bornheim: „Die beste Vorbereitung auf veränderte Versorgungsnotwendigkeiten und künftige Krisen ist für Deutschland seine Handelsflotte und seine Führungsrolle als maritime Leitnation weiter zu stärken. Dies verschafft Deutschland den notwendigen verlässlichen Zugang zum internationalen Handel, zu Rohstoffen und Vorprodukten aus aller Welt. Schifffahrt ist zweifelsohne kritische Infrastruktur und sichert auch die Versorgung der Bevölkerung im Krisenfall.“

Bei der Containerschifffahrt weiterhin führend

Aus Deutschland wird den Zahlen nach aktuell die siebtgrößte Handelsflotte der Welt betrieben. Bei der Containerschiffsflotte belegt Deutschland vor China Platz 1, was die Anzahl der Containerschiffe angeht, die von Deutschland aus bereedert werden. Ende 2022 waren in deutschen Schiffsregistern insgesamt 1839 Schiffe (Vorjahr 1917) mit 44,8 Mio. BRZ registriert (Vorjahr 46,1 Mio. BRZ). Zu einem großen Teil (rd. 48 Prozent) führen die Schiffe der deutschen Handelsflotte heute die Flagge eines EU-Landes am Heck, insbesondere von Portugal, Zypern und Malta. Die Anzahl der unter deutscher Flagge fahrenden Seeschiffe liegt bei 278 Schiffen (Vorjahr 275).

Die Zahl der in Deutschland insgesamt sozialversicherungspflichtig beschäftigen Seeleute hat sich zuletzt wieder leicht erhöht auf 7079 (Vorjahr: 6927). Ebenso stieg die Zahl der deutschen Beschäftigten um 200 Personen auf 4540 deutsche Seeleute an. „Diesen erfreulichen Beschäftigungseffekt führen wir vor allem zurück auf das aktuell positive Marktumfeld und hoffen hier auf eine weitere Fortsetzung“, so Kröger.

Jahr der Ausbildung – Schwerpunkt Nachwuchsgewinnung

Erfreulich sei auch, dass die Zahl der Berufsanfänger in der Seeschifffahrt mit 377 (Vorjahr 355) leicht gestiegen sei. Der Bedarf an gut ausgebildeten Nachwuchskräften sei aber weiterhin sehr groß und könne derzeit nicht ausreichend gedeckt werden, weshalb hier weitere Anstrengungen erforderlich seien. Prognosen der internationalen Schifffahrtsverbände gingen davon aus, dass im Jahr 2026 nahezu 90 000 Schiffsoffiziere weltweit fehlen werden. Bornheim: „Der Pool der ausgebildeten Nachwuchskräfte wird immer kleiner und der Wettbewerb um junge Talente immer härter. Es droht ein Wissensverlust, der zu einer erheblichen Schwächung des maritimen Standortes führen kann. Die Sicherung des maritimen Know-hows in Deutschland für die Zukunft bleibt eine unserer wichtigsten Aufgaben. Deshalb rufen wir als VDR das Jahr 2023 als Jahr der Ausbildung aus. Wir müssen wieder deutlich mehr junge Talente für die Seeschifffahrtbegeistern.“              

Mit dem Jahr der Ausbildung 2023 möchte der VDR den Fokus auf die Nachwuchsgewinnung und die vielfältigen Karrierechancen in der Seeschifffahrt legen. Hierbei stünden auch insbesondere Karrierechancen für Frauen und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben im Fokus.

Schifffahrt effizientestes Transportmittel

Weiterhin gelte es für die Schifffahrt, eine der größten Investitionsnotwendigkeiten aller Zeiten zu meistern: Die Umsetzung der Transformation der Schifffahrt zu einem klimaneutralen Verkehrsträger innerhalb der kommenden dreißig Jahre. Die Weltschifffahrt habe das klare Signal gesendet, bis zum Jahr 2050 global klimaneutral fahren zu wollen.

Bornheim: „Ein erster Hebel für die Klimaneutralität wirdder Einsatz treibstoffeffizienterer Schiffe sein. Um das selbstgesteckte Ziel aber voll erreichen zu können, wird zusätzlich eine Revolution bei den Treibstoffen benötigt. Die Schifffahrt braucht alternative Kraftstoffe in ausreichendem Maße sowie zuverlässig verfügbar, hergestellt aus Sonne, Wind oder Geothermie im sogenannten Power-to-Liquid-Verfahren. Schon weil die Schifffahrt keine Treibstoffe produziert, kann nach solchen Lösungen nur gemeinsam mit anderen und nur weltweit gesucht werden.“

Die seit Januar geltenden Indexe CII und EEXI könnten laut Kröger auch zu einer Verknappung der Kapazitäten führen, da Schiffe, die den Effizienzanforderungen nicht genügten, eventuell vorzeitig aus dem Betrieb genommen würden.

 

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