Orkan im Norden - Jahrhundertflut - 17-Meter-Wellen
Orkan über Norddeutschland, Jahrhundertflut mit 17-Meter-Wellen in Ostfriesland, Hochwasser in Hamburg und Schnee in den Mittelgebirgen: Mit heftigen Wetter-Turbulenzen hat der November in Deutschland Einzug gehalten. In der Nordsee geriet am Mittwoch vor Borkum ein Schiff in Seenot, vor der norwegischen Küste trieb eine Bohrplattform mit 75 Menschen im aufgewühlten Meer.
Riesenglück hatten vier niederländische Seeleute: Sie überlebten in ihrem 19 Meter langem Rettungskreuzer, obwohl ihr Schiff drei Mal in der tobenden See vor Borkum durchgekentert war.
Der erste schwere Herbststurm mit Windgeschwindigkeiten bis 156 Kilometern pro Stunde hat jedoch deutlich geringere Schäden angerichtet als zunächst befürchtet. Der Wasserstand im Hamburger Hafen fiel mit 2,58 Metern über dem mittleren Hochwasser geringer aus als erwartet. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) war von drei Metern und erheblichen Überschwemmungen im Hafen ausgegangen. Das BSH in Rostock gab für Mittwochabend eine Sturmflutwarnung für die Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns heraus.
In der Nacht zu Mittwoch hatte sich im Hamburger Hafen ein Containerschiff losgerissen, das mit Hilfe eines Schleppers aber wieder gesichert werden konnte, berichtete die Feuerwehr. Niedrig gelegene Teile des Fischmarktes in Hamburg-Altona wurden überschwemmt. Die Flut zerstörte eine Großbaustelle am Stauwehr in der Elbe bei Geesthacht in Schleswig-Holstein. Ein Sprecher sagte, die Wassermassen hätten einen Verschluss aus Stahlträgern an einer Baugrube zerdrückt. Die Schadenshöhe sei nicht absehbar, Menschen wurden nicht verletzt.
Seenotkreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) retteten sieben Besatzungsmitglieder eines 100 Meter langen Küstenmotorschiffes, das wegen einer defekten Ruderanlage in der aufgewühlten See vor Borkum trieb. Die vier niederländischen Seeleute, die nach dem Durchkentern ihres Rettungskreuzers vorübergehend vermisst wurden, waren am Morgen auf dem Weg dem Havaristen, als sie selbst in Seenot geraten waren. Sie meldeten sich Stunden später per Handy bei ihrer Einsatzstelle, nachdem ihr Funk ausgefallen war.
Eine der schwersten Sturmfluten der vergangenen 100 Jahre war am Mittwoch über die Küste Ostfrieslands gefegt. Mit Geschwindigkeiten bis zu 145 Stundenkilometern waren die Orkanböen der Tiefs «Britta» in der Nacht über die Insel Borkum gerast. Fähren in Niedersachsen stellten ihren Betrieb ein.
Vor der norwegischen Küste riss sich in der Nacht eine Bohrplattform mit 75 Menschen an Bord von mehreren Schleppern los. Es bestehe keine Gefahr für die Besatzung, teilte die Rettungszentrale bei Stavanger mit. In Südschweden waren 55 000 Haushalte ohne Strom.
In Dänemark wurde die 20 Kilometer lange Brücke über den Großen Belt für Autos gesperrt. Die wichtige Verkehrsverbindung zwischen dem Festland und der Hauptstadt Kopenhagen konnte auch von Zügen nur auf einer Spur genutzt werden.
Meteorologe Jens Hoffmann vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach sagte, das Orkantief beziehe seine Kraft aus dem Druck- und Temperaturgefälle zwischen Mitteleuropa und dem Norden. «Wir hatten im Norden seit Tagen Kaltluft liegen. Je stärker der Unterschied, desto größer die Windgeschwindigkeit.» Die mit dem Sturmtief einströmende kalte Höhenluft habe die Böen noch verstärkt.