TUI unter Druck
«Die deutsche Tourismusbranche hat ein sehr bewegtes Jahr hinter sich», sagt TUI Deutschland-Chef Volker Böttcher. Bei der Vorstellung der Sommerkataloge auf der Kanareninsel Lanzarote meint er die Vogelgrippe, Fußball-WM, Terroranschläge, Rekordölpreis und was sonst Reiselust und -pläne noch beeinträchtigt.
Die größte Herausforderung erlebt der TUI-Konzern zur Zeit aber selbst. Spekulationen über eine feindliche Übernahme, Gerüchte um neue Konzepte und immer neue Negativschlagzeilen lassen Europas größten Reisekonzern und seinen Vorstandsvorsitzenden Michael Frenzel nicht zur Ruhe kommen. «Ein turbulentes Jahr», sagt Böttcher. Die Turbulenzen sind noch nicht zu Ende. Und alle Teile des Konzerns sind betroffen.
Es geht um viel beim Branchenprimus. Nicht nur das Konzept von Frenzel - ein zwei-Säulen-Konstrukt aus Tourismus auf der einen und Containerschifffahrt auf der anderen Seite - steht auf der Kippe.
Finanzinvestoren fordern eine Aufspaltung des Unternehmens und einige auch den Kopf des Vorstandsvorsitzenden. Sie erhoffen sich bessere Renditen und einen steigenden Aktienkurs. Die Touristiksparte und die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd könnten sich unabhängig voneinander besser entwickeln als unter dem Dach der Holding, argumentieren sie.
Und angesichts der Wertentwicklung des Aktie geht das Gespenst einer feindlichen Übernahme um. Die TUI AG gilt als deutlich unterbewertet.
Schon seit Wochen ist Frenzel dem Vernehmen nach auf der Suche nach freundlichen Investoren, die den Konzern vor den angeblich lauernden Heuschrecken schützen könnten. Aber ebenso dringend ist wirtschaftlicher Erfolg. Denn das Kesseltreiben gegen Frenzel war erst so richtig losgegangen, als TUI mit der Halbjahresbilanz auch einen tiefen Einbruch bei der erfolgsverwöhnten Schifffahrt melden musste. Nachdem damit auch klar wurde, dass der Sektor die schwankenden Ergebnisse in der Touristik nicht ausgleichen konnte, rückt nun das Kerngeschäft wieder verstärkt ins Bild. Immerhin ist der Touristikbereich für gut zwei Drittel der Umsätze des Konzerns verantwortlich.
Böttcher hat seit dem Sommer schon kräftig zugegriffen, um das Unternehmen auf Effizienz und Rendite zu trimmen sowie neue Kundenschichten zu erschliessen. Denn immer mehr Urlauber buchen ihre Ferien inzwischen im Internet und suchen sich Flug und Hotel einzeln aus. An diesem Trend will die TUI stärker mitverdienen. Und die Massnahmen zeigen offenbar erste Wirkung. Bausteinbuchungen seien das Wachstumsfeld, berichtet Böttcher bei der Programmpräsentation.
Jeder fünfte Arbeitsplatz im Heimatmarkt Deutschland wurde im Zuge der Neustrukturierung bereits gestrichen. 60 Prozent der betroffenen Beschäftigten werden das Unternehmen bis Ende März verlassen haben, berichtet Böttcher. «Das ging nicht immer ohne Diskussionen ab», sagt er. Aber gemessen daran, «dass wir uns als Organisation komplett einmal um die eigene Achse gedreht haben», sei das schon «hervorragend» gelaufen. Man sei gut «im Plan».
Und reicht das jetzt aus? Böttcher ist da eher zurückhaltend. Effizenzsteigerung und Kostensenkung bleibe «Dauerthema», sagt er. Aber die TUI müsse sich auch den Herausforderungen stellen und wieder wachsen, fügt er hinzu. «Nur mit sparen allein kann man ein Unternehmen nicht dauerhaft erfolgreich führen.»
Bis Mitte Dezember muss Frenzel dem Aufsichtsrat erklären, wie er den Konzern wieder auf Erfolgsspur führen und die Rendite verbessern will. Auch seine eigene berufliche Zukunft könnte dabei auf dem Spiel stehen. Sein Vertrag als Vorstandsvorsitzender läuft im November 2008 aus. Über eine Verlängerung entscheidet der Aufsichtsrat gewöhnlich sechs bis zwölf Monate vorher. Bis 2008 - so hatte Frenzel schon im vorigen Jahr angekündigt - soll das Konzernergebnis (EBIT) in der Geschäftssparte Touristik von 360 Millionen Euro 2005 auf 700 Millionen steigen. Ob dies allein durch Kostensenkungen und die Neuordnung in Deutschland erreicht werden kann, ist nach Expertenansicht fraglich. Aber die TUI ist zum Erfolg verdammt.