Vor 50 Jahren: Das Ende der "Andrea Doria"
«Alles klar auf der Andrea Doria» so soll einer der letzten Funksprüche gelautet haben, bevor der italienische Luxusliner am 25. Juli 1956 mit einem anderen Passagierdampfer kollidierte und dann unterging. Die Passagiere saßen gerade zusammen auf dem Schiff, feierten Abschied nach der Tour über den Atlantik, waren fröhlich, aufgekratzt, denn morgen würden sie in New York sein. Da passiert es, um 23.06 Uhr: Wie ein Riesendolch bohrt sich der Bug der schwedischen «Stockholm» vor der US-Ostküste mit gewaltiger Wucht in die Rumpfseite der «Andrea Doria» und schlitzt ihren Leib auf. Wasser stürzt in die zu diesem Zeitpunkt fast leeren Treibstofftanks.
Etwa 50 Menschen, die meisten davon Passagiere des italienischen 30 000-Tonnen-Schiffes, sterben. Der Todeskampf der «Andrea Doria» selbst dauert elf Stunden - dann kentert sie und versinkt. Nein, nichts war klar in dieser Nacht vor 50 Jahren, aber später weiß man auch, es hätte noch schlimmer kommen können. Vor allem der rasche Beistand durch andere Schiffe verhinderte eine Katastrophe vom Ausmaß der «Titanic»-Tragödie von 1912, die über 1500 Menschenleben kostete.
Sie war der Stolz der italienischen Kreuzfahrtflotte, die 212 Meter lange und 30 Meter breite «Andrea Doria» der Reederei «Società di navigazione Italia», supermodern und mondän, mit gleich drei Freiluft-Swimmingpools. Und als besonders sicher galt das nach einem genuesischen Admiral aus dem 16. Jahrhundert benannte Schiff auch. Einen Doppelboden hatte es und - im Gegensatz zur nach der Kollision mit einem Eisberg gesunkenen «Titanic» - Rettungsboote für alle.
Am Abend des 25. Juli hat die in Genua aufgebrochene «Andrea Doria» mit 1134 Passagieren und 572 Besatzungsmitgliedern an Bord ihr Ziel New York fast erreicht. Sie nähert sich schon Nantucket vor der Küste von Massachusetts, nur noch gut 200 Seemeilen (etwa 370 Kilometer) sind es bis zum Hafen der US-Ostküstenmetropole. Zur selben Zeit fährt die «Stockholm» in umgekehrter Richtung mit Kurs auf das schwedische Göteborg. Wie es in dem riesigen Seegebiet zur Kollision kommen konnte, wurde nie gänzlich geklärt - auch nicht in einer späteren Seegerichtsverhandlung, die mit einem Vergleich zwischen den beiden Reedereien endete.
Aber so viel kristallisierte sich doch heraus: Die «Andrea Doria» fährt in dichtem Nebel, die «Stockholm» unter klarem Himmel, als das Radar auf beiden Seiten einen gefährlich dichten Parallelkurs anzeigt. Entgegen üblichen Regeln entschließt sich der italienische Kapitän Piero Calamei zu einem Ausweichmanöver nach links, in dem Glauben, ihm komme nur ein Trawler entgegen und es gebe genügend Platz. Da der Wachhabende auf der «Stockholm» seinerseits ein Rechtsmanöver eingeleitet hat, befinden sich beide Schiffe nun auf Kollisionskurs. Auf der schwedischen Seite wundert man sich, dass keine Lichter des entgegenkommenden Schiffes zu sehen sind und glaubt an ein verdunkeltes Marinefahrzeug. An Nebel denkt niemand.
Als die «Andrea Doria» schließlich aus den Schwaden auftaucht, sind sich die Schiffe schon so nahe, dass letzte Ausweichversuche - «Hart Steuerbord» der «Stockholm», «Hart Backbord» der «Andrea Doria», nichts mehr helfen. Die Wucht der Kollision ist gewaltig.
Angaben über die Gesamtzahl der Opfer schwanken, aber in den meisten Quellen ist von 46 toten Passagieren auf der «Andrea Doria» und von fünf toten «Stockholm»-Besatzungsmitgliedern die Rede. Hunderte Menschen wurden verletzt.
Alle Opfer waren auf die Kollision zurückzuführen - niemand ertrank, auch wenn der Großteil der Rettungsboote wegen der zunehmenden Schlagseite des Schiffes nicht aufs Wasser hinuntergelassen werden konnten und daher unbrauchbar waren. Zu verdanken ist das Überleben der meisten - darunter auch Klaus Dorneich, der einzige deutsche Passagier auf der «Andrea Doria» - einer beispiellosen Rettungsaktion: Gleich mehrere Schiffe folgten den «SOS»-Rufen der «Andrea Doria» und nahmen die Schiffbrüchigen auf. Sogar die «Stockholm» übernahm Hunderte der Passagiere des italienischen Luxusliners, der dann um kurz nach 10.00 Uhr am 26. Juli 1956 versank. Das Wrack liegt noch heute in rund 70 Meter Tiefe auf Grund.